Die Ärzte und Psychoanalytiker Margarete und Alexander Mitscherlich haben in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts einen Klassiker veröffentlicht über die Unfähigkeit der Deutschen, ihre Vergangenheit wahrzunehmen und aufzuarbeiten – zu trauern über das, was sie anderen Menschen angetan und selber erlitten haben.
Der Titel des Buches, „Die Unfähigkeit zu trauern“ kam mir in den Sinn, als ich die letzten Nachrichten über den Krieg im Nahen Osten las. Wenn man gedanklich aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt aussteigt – bleibt dann nicht nur eine unendliche Traurigkeit über das, was wir Menschen uns gegenseitig antun? Und nicht nur uns, auch der Erde, die erschüttert und zerstört wird von Bomben, Granaten und Minenfeldern, die nicht mehr betreten werden können.
Trauer zulassen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine natürliche emotionale Reaktion, wenn man sich den Gefühlen von Hass und Wut entzieht. Trauer hat die Kraft, die emotionale Last des Unfassbaren, der Grausamkeiten, der Gewalt hinweg zu schwemmen und den Weg frei zu machen für Neues, für neue Sichtweisen und andere Möglichkeiten von Beziehungen.