Ja, ich habe es gewagt, in die Elbe einzutauchen, am Heisterbusch war es, gegen Ende der viertägigen Pilgerwanderung. Den ganzen Weg über lockten mich die kleinen Sandbuchten, in denen sanft das Elbewasser strömte. Und am Heisterbuch dann, nachdem wir Pilgerinnen im Kreis unter einer hohen Pappel, deren gelbgrüne Blätter im Wind spielten, unsere Erfahrungen ausgetauscht hatten, war es soweit. Kein Mensch weit und breit außer uns, die Sonne schien, Monika war, wie immer, sofort im Fluß, und auch ich streifte meine Kleider ab und watete hinein. Dunkler Schlick matschte unter meinen Füßen, und das Wasser war nicht so kalt, wie erwartet. Ein paar Mal tauchte ich ein, sprang auf und ab und streifte die Anstrengungen der Wanderung ab.
Ich hatte diese Pilgerwanderung der Wandlung gewidmet, meiner persönlichen Wandlung und dem gesellschaftlichen Wandel. Wir wanderten von Hitzacker nach Drethem und weiter nach Darchau, dicht entlang der Elbe, sandige Wege, durch trockenes Gras und über bewaldete Hügel. Da die Fähren wegen des niedrigen Wasserstands nicht fahren konnten, setzten wir mit einem Floß über auf die andere Seite. „Wer setzt uns über ans andere Ufer, Fährmann, Fährmann, Fährmann hol über…“, dieses Lied sangen wir unserem Fährmann als Dank.
Auf dem Weg nach Stiepelse machten wir Rast an einem Platz mit hohen, alten Pappeln. Ich lehnte mich eine Weile still an einen riesigen, abgebrochenen Ast, der mir etwas über Tod und Sterben erzählte. Zuerst fallen die Blätter ab, erzählte er, dann die kleinen Zweiglein, und die Substanz wird langsam morsch, du siehst, wie mein Holz zerfasert. Bei euch Menschen fallen Beziehungen und Orte weg, und es lösen sich nach und nach Rollen auf, die ihr in euerm Leben eingenommen habt…
Wandel bedeutete für mich während der Pilgerreise, Abschied zu nehmen von der Rolle als recht sportliche Frau, da ich einsehen musste, dass ich mit meinem angeschlagenen Knie keine zehn, geschweige denn zwanzig Kilometer mehr laufen kann. Gleichzeitig wächst in mir der Wunsch, einfach nur in einer der hellen Sandbuchten an dem mächtigen Strom zu sitzen und dem Strömen, Fluten, Sprudeln und Fließen des Wassers zuzuschauen…