Die Lähmung

Der Antikriegstag am 1.September 2024 ging vorbei (85 Jahre nach Beginn des zweiten Weltkriegs) und der 7. Oktober ging vorüber. Ohne dass es hier in der Provinz, wo ich lebe, einen Aufschrei für Frieden gegeben hätte.

Während in der Coronazeit ständig die Rede von Experten war, auf die man hören müsse, hört man derzeit von Militärexperten in den Medien erstaunlich wenig. Hängt das damit zusammen, dass Militärs im Allgemeinen der Ansicht sind, dass bei einem Stellungskrieg verhandelt werden muss?

Auch ich war – außer in privaten Gesprächen – stumm. Wie gelähmt, nicht in der Lage, irgendetwas in Gang zu setzen. Und wenn es nur eine Mahnwache wäre.

Meiner Ansicht nach trägt zu dieser Lähmung entscheidend bei, dass in den Medien und von führenden Persönlichkeiten Äußerungen, die in Richtung Verhandlungen gehen, sofort mit den Keulen von „Antisemitismus“ oder „Putinfreunde“ erschlagen werden. Das spaltet und macht es schwer, pazifistische Positionen einzunehmen. Was keine Entschuldigung sein soll.

Freude am Alltag

Immer wieder ging mir in den letzten warmen Sommertagen das Gedicht von Rilke durch den Kopf

„Herr: ist ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

und auf den Fluren lass die Winde los.“

Ich habe das Gefühl, so einen großen Sommer gehabt zu haben. Viel Sonne, baden in Seen und im Meer, neue wunderschöne Orte kennengelernt.

Und nun freue ich mich wieder auf den Alltag! Auf die Arbeit im Garten, die vertrauten lieben Menschen, das Schreiben des Blogs…

Die Winde fegen jetzt durch die Bäume, abends brennt ein Feuer im Ofen, auf dem Herd köchelt eine Suppe. Und in mir gären die Eindrücke des Sommers und können sich langsam zur Ruhe setzen.

Ein Wunder!?

Es erschien mir wie ein Wunder. Ich war in diesem Sommer viel schwimmen – und wieder stellten sich beim Laufen Probleme mit meinem rechten Knie ein, wie ich es im letzten Sommer schon einmal erlebt hatte. Diesmal hatte ich zum Glück zeitnah einen Termin bei meiner Osteopathin.

Sie erkundigte sich genau, wie oft ich im Wasser war und ob ich Brust, Rücken oder Kraul schwimme. Ich schwimme alles durcheinander, vor allem aber Brust. Sie überlegte kurz und meinte dann, dass die Schmerzen möglicherweise nicht mit dem Knie sondern der Hüfte zusammenhängen, da ich eine lange Narbe vom Knie bis ins Becken habe.

Dann legte ich mich auf die Liege, und die erfahrene Osteopathin begann, meinen Leib zu bearbeiten. Knetete, drückte, ließ mich tief ein- und wieder ausatmen und was das osteopathische Handwerkszeug sonst noch hergibt.

Als ich nach einer kleinen Ruhepause wieder von der Liege aufstand, staunte ich nicht schlecht. Mein Knie tat nicht mehr weh! Es kam mir vor, wie ein Wunder!

Obwohl ich Wunder nicht prinzipiell ausschließe, war mir klar, dass die Heilung in diesem Fall den Kenntnissen und Fähigkeiten der Osteopathin zu verdanken ist. Sie weiß genau Bescheid über die Zusammenhänge im menschlichen Körper und kennt die notwendigen Handgriffe, um Blockaden zu lösen und Knochen, Muskeln, Sehnen und Nerven wieder in Harmonie zu bringen.

Keine Kraft für Freundlichkeiten

Kürzlich kam eine Nachbarin vorbei. Sie hatte ein köstliches italienisches Gebäck zubereitet und lud mich für nachmittags zum Kaffeetrinken ein. Im Allgemeinen bin ich für jede Art von Essenseinladung zu begeistern. Diesmal ging es mir jedoch nicht so.

Es war gegen Mittag. Ich war gerade vom Sport und Einkauf gekommen und hungrig. Die Taschen waren noch nicht ausgepackt, als mich ein unangenehmer Telefonanruf überraschte. Außerdem hatte ich am Nachmittag eine andere Verpflichtung. In dieser Situation klingelte es an der Tür.

Müde erklärte ich der Nachbarin meine Lage. Sie zeigte Verständnis und brachte mir zum Probieren ein paar Teilchen vorbei. Ich hatte kaum die Kraft, mich darüber wirklich zu freuen, obwohl ich eine große Freundin von Süßigkeiten bin. Und gleichzeitig war ich traurig. Traurig, weil ich keine Kraft hatte, diese freundliche Geste angemessen zu wertschätzen. Traurig darüber, dass der Alltag mit allem Drum und Dran einen manchmal so überrollen kann, dass keine Zeit und Kraft mehr für den Austausch von Freundlichkeiten ist.

Augusttage auf der Datsche

Es ist heiß in diesen Tagen auf der Datsche. Wir sind an einem See östlich von Berlin, im Schuppenland, wie eine Berlinerin sagt. Außer dem Wochenendhaus stehen auf dem hinteren Teil des Grundstücks der Holzschuppen, der Werkzeugschuppen, der Luftschuppen. Auf dem Weg zum See kommen wir an weiteren mehr oder weniger baufälligen Schuppen vorbei, in denen Generationen von Rasenmähern und verrostete Gartenliegen neben verrottenden Auflagen lagern.

Kurz bevor wir am See sind, werfen wir einen kurzen Blick nach rechts: Ist der Platzhirsch gerade da? Der Platzhirsch in einem imposanten Neubau ist ein Westdeutscher, der hier Land aufgekauft hat und nun behauptet, dass der Zugang zum See ihm allein gehört. Wirklich geklärt zu sein scheint der Fall nicht.

Über 30 Jahre nach der Wende sind bestimmte, ehemals selbstverständliche Nutzungsrechte für Pächter von Grundstücken erloschen. Menschen, die jahrzehntelang Arbeit, Geld und Liebe in ein kleines Stück Land und Häuschen gesteckt haben, müssen sich damit abfinden, dass sie die erhöhte Pacht nicht mehr bezahlen können oder dass das Grundstück verkauft wird und sie nicht das Geld haben, um es zu bezahlen.

Die alten Nachbarn in den Parzellen am See kennen sich seit vielen Jahren. Sie wissen, wer geschieden wurde, wieder geheiratet hat, gestorben ist. Selbst Leute, die man am liebsten von hinten sieht, werden gefragt, ob man ihnen ein Brot vom fünf Kilometer entfernten Bäcker mitbringen soll. So funktioniert das Leben hier. Bei allen Unterschiedlichkeiten und Reibereien gibt es Nachbarschaftshilfe und gegenseitige Toleranz. Das Verhalten eines Platzhirsches passt nicht in dieses Gefüge.

Und was sagt die Erde dazu? Großmütig lässt sie uns Menschen gewähren, erträgt zusammenfallende Schuppen und Streitereien und verzaubert uns immer wieder mit ihrer Schönheit. Mit der üppigen, grünen Pflanzenwelt, der Ruhe des Sees, den dahinziehenden Wolken am Himmel. Ihre Schönheit hilft uns, wieder ins Lot zu kommen, wenn wir aus der Spur geraten sind.

Es ist Zeit, uns bei der Erde zu bedanken.

Was ist heilsam für dich?

Sonntagmorgen. Mit einer Freundin komme ich ins Gespräch darüber, was jede von uns als heilsam empfindet. Ich erzähle, dass ich früher im Sommer fast jeden Sonntagmorgen schwimmen gegangen bin. In ein wunderschönes Waldschwimmbad.

Wenn über mir der blaue Himmel strahlte, ringsum die Bäume in sattem Grün leuchteten, und ich schwerelos durchs Wasser glitt, fühlte ich mich eins mit Gott und der Welt. Kümmernisse fielen von mir ab, und wenn ich zuvor unglücklich gewesen war, war ich nach dem Bad versöhnt mit mir, anderen Menschen und dem Leben.

Die Freundin erzählt, dass sie Ähnliches in einer völlig anderen Situation erlebt. Sie ist in einer ländlichen, katholisch geprägten Umgebung aufgewachsen. Nicht mit einem strafenden, sondern einem liebevollen Gott. Wenn sie heute in die Kirche und zur Kommunion geht, fällt aller Unmut von ihr ab, und sie kann das Leben wieder genießen.

Wie stärkend es ist, solch eine Erfahrung machen zu können. In unterschiedlichen Formen erlebten wir beide dasselbe, das Gefühl von Einssein mit dem Leben trotz aller Schwierigkeiten.

Zeitqualität August 24

Im Gespräch mit einer Freundin stellten wir fest, dass sich derzeit viele Beziehungen verändern. Für jeden Wandel gibt es natürlich individuelle Gründe, doch die Häufung der Umbrüche machte uns stutzig.

Geübt im Umgang mit Tarotkarten, zogen wir ein Kartendeck heran, um eventuell mehr über Hintergründe unserer Beobachtung zu erfahren. Was ist die besondere Qualität dieser Zeit? fragten wir uns und die Karten.

Zunächst waren wir etwas erstaunt, als zwei Münzkarten fielen. Münzen stehen in diesem System für die Erde, für alles, was wir mit den Händen anfassen können. Die Freundin hatte die 3 der Münzen gezogen, ich die 6 der Münzen.

Auf der 3er-Karte sind drei Menschen zu sehen, die zusammen einen Dom bauen. Und auf der 6er-Karte verteilt ein offensichtlich wohlhabender Mann Geld an Bedürftige. Damit wurde deutlich, dass es um Teamarbeit und Ausgleich geht.

Um Miteinander und Ausgleich geht es auch in vielen Beziehungen. Und das nicht nur in unseren persönlichen Freundschaften, familiären, beruflichen und anderen Beziehungen. Auch gesellschaftlich betrachtet, ist es endlich an der Zeit, die zahlreichen Ideen und Konzepte für strukturelle Veränderungen zu manifestieren. Von der Konkurrenz, wo jeder nur auf seinen eigenen Vorteil schaut, zur Teamarbeit zu kommen. Und das weltweit. Genauso wie der Ausgleich zwischen den Ländern des Südens und des Nordens längst überfällig ist.

Dann können wir gemeinsam „einen Dom bauen“, in Harmonie mit der Erde und allen Wesen leben.

 

Eigenmächtig sein

Vor Jahren besuchte ich ein Symposium für Frauen mit dem Titel „Eigenmacht“. Heute klingt der Begriff fremd in meinen Ohren. Wahrscheinlich würde man jetzt das englische Wort Empowerment benutzen.

In meiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren war es verpönt, „eigenmächtig“ zu handeln. „Du kannst dir doch nicht eigenmächtig eine Stulle Brot schmieren, eigenmächtig ein anderes Kleid anziehen…“ Ja, sogar „eigenmächtig“ auf Toilette zu gehen, war lange Zeit nicht erlaubt. Wegen jeder Kleinigkeit mussten die Eltern oder andere Aufsichtspersonen gefragt werden.

So wie Ehefrauen den Ehemann damals fragen mussten, ob sie arbeiten gehen durften und vieles mehr.

Heutzutage wird schon bei Kindern Selbstbestimmung groß geschrieben. Und doch ist es nach wie vor ein Thema für Frauen, Eigenmacht zu entwickeln. Die Fragen „Was will ich wirklich, was ist mein tiefstes Bedürfnis?“ sind auch in unseren Tagen nicht immer leicht zu beantworten und die Antwort ist manchmal noch schwerer umzusetzen.

Doch diese Fragen wollen nach wie vor beantwortet werden! Auch wenn es immer noch Mut kosten mag, sich den Fragen und möglichen Konsequenzen zu stellen.

P.S. Ich schreibe als Frau über Frauen. Das heißt nicht, dass die Thematik nicht auch Männer und queere Menschen betrifft.

Sprache und Machtspiele

Ich war zu Besuch bei Menschen, die ich oberflächlich kannte. Das Gespräch ging hin und her, und nach einer Weile bemerkte ich, dass meine Beiträge nicht wahrgenommen wurden. Ich begann, zu beobachten, wie die Kommunikation hier auf mir fremdem Terrain verlief. Und musste feststellen, dass es sich um eine völlig andere Art des Austauschs handelte als ich es gewohnt war.

Eigentlich ging es mehr um etwas, das ich als Schlag-Austausch bezeichnen würde. Wer war derjenige, der am besten dastand, scheinbar klüger und pfiffiger als alle anderen? Es ging nicht um Informationen, nicht darum Wissen oder Geschichten mitzuteilen. Schon gar nicht ging es um Verständnis der Gesprächspartner.

Nein, es ging darum, andere als dumm dastehen zu lassen, jedenfalls dümmer als man selber und sogar darum, Schuldgefühle zuzuschieben. Es ging, kurz gesagt, um Rangordnung, um Positionen innerhalb der Gruppe, um Macht. Mich ließen sie im Gespräch außen vor und beachteten mich nicht, weil sie offensichtlich merkten, dass solche Machtspiele bei mir nicht verfangen.

Ein guter Grund, derartige Gesellschaften zu meiden.

Hilma af Klint und Wassily Kandinsky

Gestern hatte ich die Gelegenheit, eine Ausstellung mit Bildern von Hilma af Klint und Wassily Kandinsky anzuschauen. Beide sind – unabhängig voneinander – Pioniere der abstrakten Malerei, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstand.

Mich interessierte vor allem das Werk der schwedischen Künstlerin. Af Klint hat die Inspiration für ihre abstrakten Gemälde in Seancen empfangen. Gemeinsam mit einem Kreis von Frauen nahm sie regelmäßig Kontakt zur geistigen Welt auf und setzte die Anregungen konsequent um.

Nach einer Weile bemerkte ich, dass mich die Bilder der Malerin zunehmend nervös machten. Ich hatte regelrecht das Gefühl, dass sich mein Hirn verknotete, wenn ich länger davor stand. Wenn ich dagegen ein Gemälde von Kandinsky betrachtete, entspannte ich mich, und ein Lächeln zog über mein Gesicht.

Die Bilder von af Klint wirken konstruiert und sprechen eher die mentale Ebene an, während diejenigen von Kandinsky leichthändiger und intuitiver gemalt zu sein scheinen. Zwei völlig unerwartete Erfahrungen, da mich Kandinsky bislang nicht sonderlich angesprochen hat im Gegensatz zu der schwedischen Künstlerin.

Beide wollten übrigens mit ihrer abstrakten Malerei alte Denkmuster auflösen und durch die Kunst einen Weg in eine neue Zukunft weisen.

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