Die obdachlose Seele

Auf einer tiefen Ebene spricht mich eine Äußerung des Schriftstellers und Schamanen Martín Prechtel an. In der modernen Gesellschaft, schreibt er, ist unsere eingeborene, natürliche Seele obdachlos geworden. Einen schönen, deprimierten Geist nennt er sie, dem im Leben der Menschen kein Zuhause mehr eingeräumt wird. Die Seele wird zum „Flüchtling im Welthaus unseres Körpers und versucht sich irgendwo zu verstecken, damit unser Verstand sie nicht findet.“

Prechtel beschreibt, dass unser wahres Wesen sich wie ein Stammesangehöriger in einer Großstadt vorkommen muss: unerwünscht, verloren, heimatlos. Die eingeborene Seele müht sich ab, in einer feindlichen Umgebung zu überleben. „Sie flieht und versteckt sich, denn wenn unser moderner Verstand mit unserem persönlichen Eingeborensein so brutal umspringt wie die moderne Kultur mit allen Eingeborenenvölkern in der Welt, dann fürchtet unser individueller Geist die Entdeckung durch seinen Unterdrücker – unser eigenes Denken“.

Unsere eingeborene Seele, was ist das? Prechtel beschreibt sie als natürlich, unaufdringlich, schwer zu erklären, sanft, großzügig und dörflich orientiert. Ich möchte noch hinzu fügen: wild und archaisch, sie liebt es, abends im Kreis am Feuer zu sitzen, zu tanzen, zu singen und manchmal laut zu schreien.

P.S. Martín Prechtel ist Sohn eines Schweizer Vaters und einer indianischen Mutter. Als junger Mann wurde er auf einer Reise in Guatemala von einem Schamanen adoptiert und ausgebildet. Mehr davon in seinem Buch „Die Geheimnisse des Jaguars – Eine Entdeckungsreise in die Welt der Mayas“.

Über Mütter und Töchter

Ich bin ratlos. Was ist bloß mit uns los, uns Müttern und (erwachsenen) Töchtern. Warum können wir – in vielen mir bekannten Fällen – keine Vertrautheit entwickeln? Warum herrschen Distanz bis Ablehnung vor?

Abwechselnd mit anderen Eltern haben mein Mann und ich unsere Kinder in den ersten Lebensjahren in einer selbstorganisierten Kindergruppe betreut. Wir wollten ihnen möglichst viel Freiheiten gewähren, ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen als wir es als Kinder in den 50er und 60er Jahren erlebt hatten. Die Verunsicherung, die das für einige Kinder bedeutete, war mir damals nicht bewusst.

Wir haben ihnen zuviel Freiheiten gelassen, erklärt eine Freundin die heutigen schwierigen Beziehungen zwischen uns Müttern und Töchtern. Ja, ein wichtiges Erziehungsziel war die Selbstständigkeit. Heute denke ich, dass wir unsere Kinder zum Teil damit überfordert haben und sich unsere Töchter möglicherweise in manchen Situationen allein gelassen fühlten.

Außerdem habe ich die Vermutung, dass sie von uns enttäuscht sind. Wir haben sie in dem Glauben erzogen, dass Jungen und Mädchen, Männer und Frauen gleichberechtigt sind und haben in unseren Familien versucht, unsere Kinder gleichberechtigt zu erziehen. Dass die Vorstellung, alle Menschen seien gleichberechtigt, nicht der Realität entspricht, mussten unsere Töchter später am eigenen Leibe erfahren. Nicht nur Männer und Frauen, auch Zugezogene und Alteingesessene, Reiche und weniger Begüterte haben nicht den gleichen Status. Hat diese, vielleicht bittere, Erkenntnis zur Enfremdung beigetragen?

Oder können wir Mütter nicht nachvollziehen, dass unsere Töchter häufig anders sind als wir, andere Interessen haben, anders kommunizieren, emotional anders ticken?

Was macht es uns Müttern und erwachsenen Töchtern nur so schwer miteinander?

Ich freue mich über Kommentare und Anmerkungen jeglicher Art!

Eine neue Geschichte weben – aber wie???

Natürlich verlief das Treffen zum Thema „Eine neue Geschichte weben“ anders als ich es mir vorgestellt hatte. Es gab kein langes Rumwühlen in alten Geschichten (zu wenig Geld, immer muss ich alles alleine machen, das schaffen wir nie…), wie ich vermutet hatte.

Ausgehend von der Annahme, dass wir mit unseren Gedanken unser persönliches Leben zurechtweben und so letztendlich auch die kollektive Geschichte entsteht, beschäftigten wir uns stattdessen vor allem damit, wie Gedanken entstehen. Und wie wir in diese weitgehend unbewussten Prozesse eingreifen können, bevor sich schon wieder eine alte Geschichte manifestiert hat. Wer kennt nicht die Prophezeiungen, die sich selbst bestätigen?

Bevor wir einen Reiz von außen bewusst wahrnehmen, reagieren wir im Allgemeinen körperlich. Durch Zu- oder Abwendung vom Gesprächspartner oder andere Körperreaktionen. Und schon entfaltet sich das, was wir eine Geschichte nennen: eine Etikettierung des Wahrgenommenen als gut oder schlecht. Ja, genau, super… Oder: es läuft wie immer, ich bin als letzte dran… Oder, oder, oder. Und diese Geschichte bestimmt unser Gefühlsleben, Ärger, Traurigkeit, Angst, Freude, Liebe.

Zwei entscheidende Momente gibt es, aus diesem weitgehend automatisch verlaufenden Prozess auszusteigen und die alten Geschichten zu stoppen: eine genaue Wahrnehmung der Körperreaktionen und/oder der Gefühle. Wenn es gelingt, an diesen Punkten eine beobachtende Rolle einzunehmen, einen Moment des Innehaltens, ist viel gewonnen. Dann können wir uns die Frage stellen, ob wir wirklich so wie immer reagieren wollen oder ob es andere Möglichkeiten gibt.

Oder ob wir nicht so weitermachen wollen und können, aber auch noch keine anderen Möglichkeiten in Sicht sind. Das ist eine der schwierigsten Situationen. So wie bisher, geht es nicht weiter. Aber wie sonst? NFI, sagte Kunga aus dem Vorbereitungsteam dazu – No Fucking Idea. Es ist keine Schwäche, sich dies einzugestehen. Das ist der Punkt, an dem alle alten Konzepte nicht mehr taugen und Neues entstehen kann, für uns persönlich und für die Gemeinschaft.

Die schönere Welt, die unser Herz kennt…

Diese Woche treffe ich mich mit Freund*innen, um an einer neuen Geschichte zu weben. An einer Geschichte, die wegführt von schneller, besser, schöner…mehr, mehr, mehr… Konkurrenz, Ausbeutung und Selbstausbeutung…

Ich habe keine Ahnung, was in den paar Tagen passieren wird. Wahrscheinlich müssen wir uns zuerst mit dem beschäftigen, was uns an die alte Geschichte, in der wir leben, bindet. Angst vor Mangel. Der Gedanke, dass man nur durch Kampf etwas erreichen kann. Das ständige Urteilen, über sich selbst und andere.

Und dann? Ich hoffe, dass wir uns Geschichten erzählen werden, Geschichten davon, wo und wie bereits Neues aufgeblitzt ist im Alten. So wie die Geschichte, die mich von dem Gefühl befreite, im Mangel zu sein.

Vor etlichen Jahren beteiligte ich mich an einem Schenkkreis von Frauen. Wir tauschten uns offen über unsere materielle Lage aus, was ich bis dahin in keiner Frauengruppen erlebt hatte. Und wir schenkten uns – Geld. Irgendwann bekam auch ich Geld geschenkt, viel Geld für meine Begriffe. Als ich abends allein vor dem Berg von liebevoll verpackten Geschenken saß, spürte ich plötzlich eine tiefe innere Sicherheit, dass ich nie wieder Mangel leiden würde. Ein überwältigendes Gefühl.

Und tatsächlich entwickelte sich mein Leben so. Als ich arbeitslos war fand ich genau in dem Monat, in dem es finanziell wirklich schwierig geworden wäre, einen neuen Job. Als ich ein neues Auto benötigte, weil mein 25jähriges altes nicht mehr zu gebrauchen war und es auf dem Land ohne Auto kaum möglich ist, zu arbeiten, wurde mir ein günstiges gebrauchtes Fahrzeug angeboten… Die Geschichten ließen sich fortsetzen… Sie lassen sich fortsetzen, wir können sie fortsetzen!

Goldrute – Solidago viraurea

Überall an Wegrändern wächst sie jetzt wieder, die Goldrute. Auch bei mir im Garten hat sich die Pflanze mit dem hohen aufrechten Stengel und den kleinen goldgelben Blüten angesiedelt, die wie winzige Sonnen in Rispen herabhängen.

Zunächst duldete ich das Gewächs mehr als ich es liebte, denn es nimmt viel Raum in meinem Garten ein. Dann brachte mir eine Nachbarin ein Glas mit selbst gesammeltem Goldrutentee vorbei. „Ist gut für die Blase und die Nieren“, sagte sie. Mein Interesse an der Goldrute wuchs.

Und seit ich in dem Buch von Maria Treben „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ zufällig auf die Pflanze stieß, möchte ich sie in meiner Umgebung nicht missen. Maria Treben schreibt, dass der Heilkräuterengel unmittelbar neben der Goldrute steht. Ihr Text ist so schön, dass ich diese wunderbare Kräuterfrau mit dem großen Wissen hier zitieren möchte: „Wir spüren die ausgleichende Wirkung dieser Pflanze bei schweren Gefühlsbewegungen gleichsam wie eine Hand, die streichelt und glättet. Allein der Anblick der Goldrute in der Landschaft wirkt schon auf uns beruhigend. Wir sollten dankbar sein, eine so trostbringende Pflanze in unserer Nähe zu wissen.“

Ein Dank auch an Maria Treben, deren Buch immer wieder eine Inspiration ist und unendlich viele praktische Ratschläge für die Behandlung von Krankheiten enthält.

Manchmal tanzen wir mit meiner Freundin Inge einen sanft wiegenden meditativen Tanz von Anastasia Geng, den Goldrutentanz.

Brombeermarmelade

Im Frühsommer waren die Johannisbeeren dran, kürzlich die Zwetschgen und Mirabellen und jetzt werden die Brombeeren zu Marmelade verarbeitet. Ein paar pflücke ich im Garten, aber am liebsten sammele ich die dunklen, reifen Früchte im Wald oder am Waldrand, dort, wo sie wild wachsen. Jedesmal wird mir dann bewusst, wie verschwenderisch die Natur uns beschenkt. Ganz umsonst, ohne etwas dafür zu verlangen.

Während ich die brodelnden Beeren auf dem Herd umrühre, summe ich ein Liedchen oder rühre gute Wünsche mit hinein: Wahrheit, Schönheit, Gesundheit, Glück, Licht, Freude, Frieden, Freundschaft, Freundlichkeit…

Ich gehe davon aus, dass nicht nur Wasser in der Lage ist, Informationen zu speichern. Daher versuche ich möglichst, in ausgeglichenem Zustand die Früchte zu verarbeiten. Diese Haltung ist für mich wichtiger als die Frage, ob ich mit Gelierzucker oder Agar-Agar einkoche…

Und dann: Guten Appetit!

Was kann ich für die Natur tun?

Was kann ich für die Natur tun, diese Frage stellte ich kürzlich auf einer schamanischen Reise. Ich dachte an Demonstrationen, Verzicht aufs Autofahren, auf Flugreisen…

Aber bei einer Reise in die andere Wirklichkeit geht es nicht um das, was wir im Kopf haben. Mein Lehrer aus der Welt der Geistwesen, Spirits und Krafttiere überraschte mich wieder einmal mit seiner Antwort.

Tu nichts, was gegen deine eigene Natur ist, sagte er. Ihr Menschen lebt so oft gegen eure Natur, tut Körper, Geist und Seele Gewalt an. Viele menschliche Körper und Seelen sind so verwüstet wie das Land.

Du bist auch ein Teil der Natur! Vergiß das nie! Achte auf die Bedürfnisse deines Körpers, deiner Seele, deines Geistes, auf deine Grundbedürfnisse. Das ist das Wichtigste, was du tun kannst. Und wenn es für dich passt, geh auch zu einer Demonstration, fahre Fahrrad…

Damit entließ er mich zurück in die alltägliche Wirklichkeit.

15. August – Kräuterweihfest

Der 15. August ist das „offizielle“ Datum für die Kräuterweihe, diesmal genau zu Vollmond. In verschiedenen Traditionen wird das Fest bereits ab Anfang August gefeiert, möglichst zu Neumond und abnehmendem Mond. Wie auch immer, heute ziehe ich los, um einen Kräuterstrauß zu pflücken.

Viele Kräuter für den alltäglichen Bedarf sind schon geerntet, in dieser Zeit geht es vor allem um die spirituelle Energie der Pflanzen. Ich pflücke am liebsten Heilkräuter, die wild wachsen, sich ihren Standort selbst wählen. Dazu gehört für mich auf jeden Fall der gelbbblühende Rainfarn, dem schützende Kräfte zugeordnet werden. Gerne suche ich auch eine Brombeere oder Brennessel für mein Sträußchen, ein paar Dornen oder Piekser können nicht schaden, denke ich. Frauenmantel, dieses heilsame Frauenkraut, und Lavendel mit seiner spirituellen Qualität dürfen nicht fehlen, auch wenn ich diese nicht in der freien Natur finde sondern im Garten.

So streife ich am Waldrand entlang und lasse mich von meiner Intuition treiben, bis ich die sieben oder neun Kräuter beisammen habe, die in meinen Strauß kommen wollen. Oft summe ich dabei eine kleine Melodie als Dank für die Pflanzen. Zu Hause wird dann der alte Kräuterstrauß vom Vorjahr entfernt, später verbrannt, und der neue wird über der Eingangstür aufgehängt.

Schamanisches zu Beziehungen zwischen Frauen und Männern

Neulich hat mich eine Freundin gebeten, eine schamanische Reise zu dem Thema „Frauen und Männer“ zu machen. Warum ist es häufig schwer, Beziehungen auf Augenhöhe zu führen? Mein schamanischer Lehrer aus der anderen Wirklichkeit antwortete mit einem Bild.

Vor meinem inneren Auge tauchte ein Fluss auf. Das Ufer auf der rechten Seite sah karg und unwirtlich aus, wüstenähnlich und steinig. Das Land auf der linken Seite war grün, Wälder, Gärten und Wiesen wechselten sich harmonisch ab. Das ist die Seite der Frauen, erklärte der Weise. Langsam veränderte sich die Szenerie, die grüne, blühende Landschaft verödete stellenweise, anderswo entstanden Sümpfe. Das passiert, wenn ihr Frauen nicht euren ureigenen Bereich, eure weibliche Kraft lebt, wahrt und schützt, setzte er erklärend hinzu. Und damit entließ er mich.

Schamanische Reisen vermitteln oft Impulse in Bildern, ähnlich Traumbildern, die von uns zu interpretieren sind. Diese Aufgabe will ich niemandem abnehmen, die Interpretation kann entsprechend der eigenen Situation durchaus unterschiedliche Aspekte aufweisen.

Draußen schlafen

An heißen Tagen habe ich ab und zu unter freiem Himmel geschlafen. Erdhuckel und kleine Aststückchen schienen sich am Anfang trotz der Isomatte in meinen Leib zu bohren. Aber bald schon entspannte sich mein Rücken und schmiegte sich an den Boden. Der Wind strich leise rauschend durch die Zweige der Birken und Haselnussbüsche, bewegte die warme Luft und brachte einen Hauch von Kühle.

Die Erde unter mir und die Natur um mich herum fühlte sich wach und lebendig an. So, als ob die Erde, die Gräser und Sträucher mich und alles wahrnehmen könnten. Tiere waren nicht zu hören, sehen oder spüren – auf kleine Krabbler habe ich gerne verzichtet. Doch es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich ein Zwerg am Rand des Schlafsacks gestanden hätte.

Plötzlich fühlte auch ich mich wach und Energie geladen, obwohl mich die Hitze kurz zuvor noch niedergedrückt hatte. Ein erster Stern blinkte am Nachthimmel auf, die Dunkelheit senkte sich langsam herab, und da erkannte ich das Sternbild des Großen Bären über mir. Irgendwann müssen mir in meinem behaglichen Nest die Augen zugefallen sein, denn ich wachte auf, als es anfing, zu dämmern. Da war plötzlich die Musik wieder da. Eine schlichte Melodie in meinem Kopf, die ich lange nicht vernommen hatte.

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