Ich bin dabei, eine
längst vergriffene Broschüre über Quellen im Schaumburger Land zu
überarbeiten. Auch Bäche beziehe ich diesmal mit ein. Irgendwann
fiel mir beim Studium der Landkarten auf, dass es kaum Bäche gibt,
die einen Namen haben. Zumindest nicht auf den Karten. Und selbst
wenn sie auf Karten verzeichnet sind, wer weiß schon, dass der Bach,
der in Stadthagen an der Kreisverwaltung, hinter den Schulen und dem
Tropicana entlang fließt, Krummer Bach heißt? Jahrelang bin ich
fast täglich auf der Jahnstraße über diesen Bach gefahren, ohne
dieser Lebensader der Erde Beachtung zu schenken. Außer bei Kindern
und Hunden findet das Gewässer nur dann Aufmerksamkeit, wenn
Starkregen fällt, und der Bach das Wasser nicht mehr fassen kann,
wenn Keller überfluten oder es zu sonstigen Schäden kommt.
In Neuseeland gibt
es seit März 2017 einen Fluss, der den Rechtsstatus einer Person
hat. Der Whanganui oder Te Awa Tupua hat laut Gesetz alle Rechte und
Pflichten, die auch Menschen zugesprochen werden. Ein
Bevollmächtigter der Whanganui Iwi, der indigenen Bevölkerung, und
ein Vertreter der neuseeländischen Regierung sind dafür
verantwortlich, die Interessen des Flusses zu schützen. Sein
Interesse (ich spreche hier von dem Fluss als Person!) nicht
vermüllt, verdreckt, beschmutzt zu werden, als Mittel zu fremden
Zwecken benutzt zu werden, zum Besitz anderer Personen zu werden.
Bäche, Flüsse, Bäume, Steine, überhaupt das Land, die Erde als lebende Wesen zu betrachten, was für ein Schritt! Ich gehe davon aus, dass zu diesem Schritt beitragen kann, die Namen all dieser Wesen um uns herum zu kennen. Etwas, das einen Namen hat, wird aus der anonymen Masse hervorgehoben, erhält ein Gesicht, Individualität, wird zu einer – wie auch immer gearteten – Person.