Wieder einmal ist es Zeit, Holunderbeeren zu pflücken und Saft, Gelee und Marmelade zu kochen. Ich pflücke die reifen, schwarzen Beeren an einem sonnigen Morgen, manchmal sind auch noch grüne und rote dazwischen. Währenddessen bereitet Heidi schon den Entsafter, die Flaschen und Gläser in der Küche vor.
Früher wurden Holunder- und Haselbüsche als Schutzpflanzen in die vier Ecken eines Gehöfts gepflanzt. Das mag mit Überlieferungen der alten Griechen, Römer und Germanen zusammenhängen, dass im Holunder gute Geister wohnen. Bei den Germanen ist es die Göttin Freya gewesen, die Beschützerin von Haus und Hof, die im Holunder lebte. Mit dem aufkommenden Christentum erhielt der Busch übrigens den Beinamen „Baum des Teufels“.
Mich erinnert der Holunder an Frau Holle aus dem Märchen, das die Brüder Grimm überliefert haben. In Bayern und Österreich ist auch der Begriff „Holler“ für den Busch üblich, in der Schweiz und im Schwäbischen „Holder“. Das passt zu Frau Holle, denn ihr Name geht zurück auf die Göttin Holla/Holda/Hulda, eine der großen Göttinnen, die es in vielen Kulturen unter vielen verschiedenen Namen gibt. Die großen Göttinnen hatten zahlreiche Aspekte, freundliche und dunkle Seiten, umfassten Leben und Tod. Weiß, Rot und Schwarz sind ihre Farben, und genau diese Farbtöne finden wir auch im Holunder: die weißen Blüten, und die zunächst grün/roten, dann schwarzen Beeren.
Nachmittags, nach getaner Arbeit, können Heidi und ich zahlreiche Gläser und Flaschen bewundern: Holundersaft pur, Holunder- und Apfelsaft gemischt, Gelee mit Holunder und Rotwein, Marmelade mit Holunderbeeren und allen anderen Früchten des Gartens, Pflaumen, Äpfeln und Birnen. Dank an den Holunder, Frau Holle und wie sie alle heißen mögen, die guten Geister!