Es war eine unerwartete Begegnung. Vor der Kirche einer masurischen Kleinstadt fuhr ein roter Sportwagen mit einem deutschen Kennzeichen vor, und heraus stieg eine ältere Dame in Rock und Jäckchen. Frau K., wie wir später erfuhren, als wir nach dem Gottesdienst der deutschen evangelisch-augsburgischen Gemeinde beim Kirchencafé zusammensaßen. Ich war auf wohltuende Art überrascht von dem Kirchgang, weil die Feier – entgegen meinen Erwartungen – geprägt war von einem frischen, fortschrittlichen Geist.
Bei Kaffee und Tee stellten wir uns vor, und Frau K. erzählte, dass sie sich in die masurische Landschaft verliebt und dort vor etlichen Jahren mit ihrem Mann einen alten Bauernhof gekauft hat. Einen Vierkanthof auf einem Hügel, von dem aus man auf einen der zahlreichen Seen schaut. Das Ehepaar ließ das Anwesen unaufdringlich elegant restaurieren, und auch nach dem Tod ihres Mannes verbringt Frau K. dort im Sommer viele Wochen.
Die vornehm wirkende Dame ist Teil der deutschen Community, die es nach Masuren zieht. Viele, wie der Schriftsteller Arno Surminski, sind in diesem Teil der Welt geboren, suchen nach ihren Wurzeln und nach Möglichkeiten, die Erfahrungen von Faschismus, Krieg, Vertreibung und Flucht zu verarbeiten. Das hat Surminski in zahlreichen Romanen getan, die mich auf der Reise begleitet und mir geholfen haben, die Familie meines Vaters besser zu verstehen. Und dann sind da Nachkommen des Widerstandkämpfers Heinrich Graf von Lehndorff und andere, die versuchen, sein ehemaliges Gut Sztynort/Steinort als Ort der Völkerverständigung in einem vereinten Europa zu erhalten.
Frau K. pflegt diese Kontakte und nutzt ruhige Zeiten, um zu schreiben. Wir dürfen gespannt sein auf einen Krimi von ihr, der Anfang 2023 erscheinen wird, „Tod in Masuren“ lautet der Titel.