Unheimlich heimlich

In kleinen Orten kennt man sich im Allgemeinen einigermaßen. Was das Wahlverhalten angeht, weiß man (oder hat so seine Vermutungen), wer eher schwarz oder gelb, rot oder grün oder auch überhaupt nicht einzuordnen ist. Man kennt und respektiert sich und spricht gelegentlich zusammen, als Nachbarn, Eltern von schulpflichtigen Kindern, Bekannte.
Nun hat bei der letzten Wahl etwa ein Viertel aller Wähler eine Partei gewählt, die in Teilen gesichert rechtsextrem ist. Gerne würde ich mit einigen von ihnen reden. Warum wählt ihr diese Partei, wenn ihr zum Beispiel im Nabu seid? Mit Umweltschutz hat sie nichts am Hut. Oder wenn ihr selber einen Migrationshintergrund habt. Warum dann diese Partei?
Aber – wo sind diese Wähler, immerhin ein Viertel von allen, die zur Wahl gegangen sind? Kaum jemand kennt einen von ihnen persönlich. Misstrauen macht sich breit, zumindest bei mir. Ist das eine Strategie, sich bedeckt zu halten? Wenn ja, warum?
Klar ist: wir haben geheime Wahlen. Damit die Wahlentscheidung nicht von staatlicher Seite bei der Stimmabgabe beobachtet oder rekonstruiert werden kann. Manchmal ist die geheime Wahl auch hilfreich, um familiärem Druck oder Druck aus dem Freundeskreis zu entgehen. Doch dass ¼ aller Wähler so gut wie unsichtbar ist, finde ich äußerst merkwürdig.
Natürlich kann es sein, dass jemand mit Gegenwind zu rechnen hat, wenn er zu besagter Partei steht. Und vielleicht wird er sogar ein paar Freunde verlieren. Aber niemand kommt für diese Wahlentscheidung ins Gefängnis.
In einer Kleinstadt im Landkreis kann kein Ortsverband der AFD gegründet werden, weil niemand bereit ist, öffentlich für die Partei einzutreten. Und das obwohl sie in dem Ort mehr Stimmen als CDU oder SPD gewonnen hat. Diese Heimlichtuerei wird mir langsam unheimlich.

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