Inzwischen haben sich meine Nachbarn an meinen Garten gewöhnt und akzeptieren ihn so, wie er ist. „Du magst es halt gern ein bisschen wild“, heißt es. Ja, so ist es. Ich liebe die Wildnis und versuche, in meinem Garten eine Balance zwischen Wildnis und Gartenkultur zu schaffen. Vielleicht haben einige auch gemerkt, dass Inseln von Wiesenschaumkraut, Löwenzahn oder Margeriten auf dem Rasen schöner aussehen und eine andere Atmosphäre schaffen als eine Fläche, die aussieht, wie ein kurzgeschorener Fussballplatz.
In einem Dokumentarfilm auf Arte über die Tagebücher von Victor Klemperer, die er 1933-1945 geschrieben hat, hörte ich eine interessante Information zu diesem Thema. Klemperer sammelte akribisch alles darüber, wie sich der Faschismus im Alltag auswirkte. Unter anderem auf seinen Garten. Eines Morgens bekam er Besuch von einem amtlich Bevollmächtigten, der ihn darauf hinwies, dass sein Garten nicht unkrautfrei sei. Der Mann sagte, er müsse ihn deswegen anzeigen, und für ein paar hundert Mark müsste eine Firma den Garten von Unkraut befreien. Wie es dann auch geschah.
Diese Geschichte gab mir zu denken. Könnte das unbedingte Beharren einiger Menschen auf einem „ordentlichen“ Garten, was im Extrem zu den Schottergärten führt, eine Nachwirkung aus dieser Zeit sein? Unbewusste Verhaltensweisen, möglicherweise auch Ängste, die sich gehalten haben? Heute überflüssig, aber gerade auf dem Land scheinen sie tief zu sitzen. Denn wenn ich in Hannover bin, wundere und freue ich mich jedes Mal wieder darüber, wie wild es dort in manchen Vorgärten wuchert.